Bewegung (?) Natürlich natürlich!
Teil 2 – Selbstwahrnehmung
nur eine falsche Bewegung und…
…, du hast das Gefühl, dass es dich in deiner Mitte zerreißt.
Im Rahmen einer Notoperation, wurde mir 2006 ein Teil einer Bandscheibe entnommen.
Rückblick
Der Schmerz lähmt mich. Meine Rückenmuskulatur ist hart wie Holz, ich kann mein linkes Knie nicht heben. Socken und Schuhe anzuziehen ist unmöglich.
Ich bin allein zu Hause, muss auf die Arbeit. Vorsichtig setze ich mich auf die Couch, wieder zuckt ein Blitz durch meinen Körper. Er nimmt mir die Luft, ich wimmere mit beschlagener Stimme. Auf den Boden gerutscht, liege ich in Embryonalstellung am Boden und wähle den Notruf. Langsam schiebe ich mich auf dem Rücken liegend in Richtung Wohnungstür. Höllenqualen. Eine Stunde später klingelt es endlich an der Tür.
Hast Du gewußt, dass man flach am Boden liegend, nicht an die Türklinke kommt?
Hast du Rückenschmerzen? Mein erster Rat an dich lautet:
- Lege einen langen Schuhlöffel mit gebogenem Ende in die Nähe der Tür, wenn du vermeiden willst, dass sie aufgebrochen werden muss.
***
Körperliche Fehlhaltungen nehmen wir meistens erst dann wahr, wenn sich Schmerzen einstellen. Diese sind dann auch immer gleich etwas dramatisches. Wenn der Rücken schmerzt, haben wir ein Bandscheibenproblem, sind es die Knie, ist es Arthrose.
Wie reagierst du auf Schmerzen?
Die Auswahl ist enorm. Tabletten, Wärmepackungen, Stufenlagerung, Bandagen, Schmerzgel und auf jeden Fall erst mal Ruhe. Alles auf Rezept vom Arzt. Wenn es richtig schlimm ist, gibt´s eine Spritze in das Schmerzzentrum.
„Wo die Klingel ist, ist nicht die Glocke!“ (Dr. Walter Packi – Freiburg)
Willst Du wissen, was meine Maßnahmen waren?
Ich habe den Vorzeichen keine Beachtung geschenkt. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt einen Job, in welchem ich größtenteils saß. Meine Trainertätigkeit übte ich unregelmäßig nebenher aus, ebenso sah es mit meinem eigenen Training aus. Der Job zuerst!
Über viele Jahre hatte ich mal stärkere, mal weniger starke Beschwerden. Meine Maßnahmen waren Tabletten, Spritzen und manchmal eine Massage. Meine sportlichen Mittel beschränkten sich auf meine damaligen Kenntnisse. Kraftsport an Trainingsmaschinen und joggen.
Beim Arzt, hörte ich immer das Gleiche. Abnutzung der Bandscheiben, Hohlkreuz und Muskelverkürzungen. Was sollte ich damit nur anfangen?
„Wer seinen Feind nicht kennt, kann ihn nicht besiegen.“
Muskeln können, im Sinne einer Längeneinbuße, nicht einfach kürzer werden. Sie können genau eines, nämlich kontrahieren. Sind sie nicht kontrahiert, sind sie entspannt. Wir haben gelernt, wie ein Nerv-Muskelzusammenspiel erwächst. Es gibt jedoch keine wissenschaftliche Theorie, die das dauerhafte Verkürzen unserer Muskeln lehrt.
Die wahrscheinlichste aller Annahmen ist, dass das aktive System inklusive der Faszien aber auch der Gelenkkapseln über eine Art ‚Notstopp‘ eine Überstreckung der Gelenke verhindert. Einen Teil dieses Mechanismus, kennst du sicher in Form des Kniesehenreflexes, auch Streckreflex genannt. Spontan und unwillkürlich reagiert der Muskel, der die Überstreckung verhindern kann, mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mittel – Anspannung.
Doch was bedeutet das für dich?
Sobald dein Körper ‚glaubt’, ihm drohe Gefahr, senden und empfangen Sensoren an den Muskelenden und Faszien direkt und ohne Zeitverlust. Zeitgleich lösen spezielle Nervenzellen in der Muskulatur ein Kontraktionssignal aus, welches ein weiteres ‚Überstrecken‘ unmöglich macht. Das Rückenmark reagiert prompt, dein Gehirn interpretiert diesen Alarm und stoppt die Bewegung mit Schmerz. Da Schmerzen irgendwie ‚blöd‘ sind, vermeidest du sie, indem du die Bewegungen kurz hältst. Beharrlich wie du bist, sitzt du dieses Problem einfach aus und gibst damit natürlich auch kein Zeichen der Entwarnung.
Grundsätzlich ist dieses Schema sehr praktisch, das aktive System schützt das passive System vor Anwendungsfehlern. Aber im selben Maße ist es für uns ungeeignet, da es uns in Haltungen zwingt, die abnormal sind. Unser Körper gerät aus dem Gleichgewicht und die angesprochenen Mechanismen schützen unsere Einzelteile in ihrer unnatürlich ‚neuen Position‘ durch Schonhaltung. Da wir daran nichts ändern und lieber unsere gesellschaftlichen Traditionen pflegen, eben dauerhaft.
Im Kontext: Das passive System gerät aus dem Lot und das aktive System muss zusätzlich stützende Aufgaben übernehmen, was zu andauernder Kontraktion und Überforderung führt. Ähnlich wie ein Muskelgedächtnis, entsteht ein Schmerzgedächtnis, welches verhindert, negative Erlebnisse erneut zu erleiden. Beide Prinzipien stehen sich kontrovers gegenüber.
Bewegungsmuster vs. Vermeidungsmuster
Warum ‚glaubt‘ Körper, ihm drohe eine Gefahr für die Gelenke?
Sitzt du, während du das liest? Ich bin ganz sicher, dass es so ist!
Der moderne Mensch sitzt etwa 95% seiner wachen Zeit. Häufig lese ich, wir würden täglich 7 Stunden im Sitzen verbringen. Nach meinen Recherchen und Aufzeichnungen ist das stark untertrieben und stimmt nur etwa zur Hälfte. Rechne es für dich selbst aus und denke dabei nicht nur an deinen direkten Arbeitsplatz. Schockiert dich das Ergebnis?
Hinterlasse dein Resultat gerne mit Fragen und Anregungen in den Kommentaren.
Wie und warum passt sich dein Körper ans Sitzen an? Ich erläutere es dir anhand weniger Beispiele:
Die Hüftstreckung und damit der aufrechte Stand, wird hauptamtlich vom Gesäß übernommen. Wenn du aber eher darauf sitzt, also die Hüfte beugst, nimmst du ihm die Arbeit. In Folge verlierst du die Muskelmasse, die du beim Sitzen nicht brauchst und sparst Energie.
Sitzend gibt es nichts zu balancieren und daher braucht deine tieferliegende Rückenmuskulatur auch keine Stellungsänderungen zwischen den Wirbeln auszugleichen. In Folge verlierst du deren Muskelmasse und sparst erneut Energie.
Ausgehend von meiner These ‚Du bist von Natur aus faul‘ klingt das doch toll. (siehe Teil1)
Die durch die Sedativierung (ein passenderer Begriff für „Sitzen“) zurückgewonnene Energie verwenden wir für geistige Höchstleistungen, kulturellen Austausch und Bauchfett. Ist doch nett, passt ins kollektiv geprägte Bild.
Auf gebeugten Hüften sitzend, kannst du die Hüftgelenke nicht verspannen, was dazu führt, optimale Gelenkpositionen auch stehend zu verlieren. In gekrümmter Position, sichern Muskeln natürlich weiterhin das Funktionieren der Gelenke. Die resultierenden Längendifferenzen gleicht der Muskel durch permanente Kontraktion aus.
Der Schwerpunkt deines Kopfes liegt minimal vor dem Gelenk zwischen dem obersten Halswirbel und dem Schädel. Die Spannung deines Nackens erhöht sich exponentiell, je weiter du nach vorne geneigt bist, um den Kopf oben halten zu können.
Gibt es dir nicht zu denken, dass du die Schwere deines Kopfes nur sitzend spürst? Musstest du ihn stehend jemals aufstützen?
- Wirbelsäule & Verspannungen
- Hüftbeuger und Oberschenkel passen sich aufgezwungener Position an
- Becken kippt, ‚Hohlkreuz‘ im unteren Rücken entsteht
- ‚Rundrücken‘ bringt Schultern aus dem Lot, Kopf schiebt vor
- Schmerzen (Rücken, Schultern, Nacken, Kopf)
- Hüftarthrose
- ‚Gluteale Amnesie‘; Abschwächung, Dysfunktionalität der Gesäßmuskulatur
- Kompensation durch andere Muskeln; Überforderung dieser
- Unterfunktion der Gelenkknorpel; Gewebeverlust
- Schmerzen (Rücken, Knie, Iliosakralgelenk, Leisten)
- Natürliche Bewegungen verlieren an Bedeutung, da sie nicht genutzt werden
- Amplituden werden nicht ausgeschöpft, da sie nicht gebraucht werden
- Gelenke degenerieren, da sie nicht versorgt werden
- Muskulärer Abbau strapaziert kompensierende Systeme
- Schmerzen (Hexenschuss)
Erstaunlicherweise ist das Sitzen nun zu einer angenehmen Haltung geworden, es tut regelrecht gut. Sitzend können wir ruhen, essen, arbeiten, uns fortbewegen, fernsehen und den neusten 3D-Kinofilm sehen – so echt, als würde man sich selbst darin bewegen. Wir chillen sitzend, treffen sitzend andere Leute, sitzen auf dem stillen Örtchen und (mein persönliches Highlight) trainieren sitzend.
Willst du deine eigene Rechnung nochmal überdenken?
Hast du gewusst, dass zu Luthers Zeiten kaum jemand saß? Bis vor ‚kurzem‘ hat der Mensch diese Position nicht genutzt, jetzt ist es nicht mehr wegzudenken. Im Sinne von Ruhen und Lagern, nutzten wir Jahrtausende lang Positionen wie hocken, kauern und liegen. Wenn du dich, in unserer modernen zivilen Welt, auf den Bus wartend neben die Sitzbank hockst, erntest du sicher mehr als nur einen irritierten Blick. Es entspricht nicht der Norm und unseren althergebrachten Gepflogenheiten.
Anpassung – das können wir gut
In diesem Fall an’s sitzen, nur stehen ist jetzt doof.
Was musst du wissen, wenn du bereit bist zu starten?
Anfänger, Wiedereinsteiger und Wenigtrainierer werden im konventionellen Fitnessstudio gern an die Geräte gewöhnt. Sie werden als einfach, verletzungsarm und effizient beschrieben und das ist auch richtig. Allerdings nur, wenn der körperliche Zustand des Trainierenden optimal ist, denn darauf bezieht sich die Einstellungsvarianz.
Ich glaube: Sofern Fehlhaltungen vorliegen, ist isoliertes Maschinentraining als standardisiertes Training des Körpers kontraproduktiv. Je mehr Unterstützung für eine Bewegung notwendig ist, desto weniger passt sich das Bewegungssystem an. Training in unnatürlichen Haltungen schafft Missverhältnisse und betoniert die mitgebrachten Probleme (und wer hat die nicht?)!
Meiner Meinung nach, ist Maschinentraining perfekt für Bodybuilder geeignet, die isoliert, einzelne Bereiche ihres Körpers herausarbeiten wollen. Auch aus rehabilitativer Sicht, ist es nachvollziehbar, einzelne Bereiche gezielt zu trainieren um deren Erhalt und Funktionalität wieder im System einzugliedern.
Bist du ein Bodybuilder, trinkst 1L pro 20 kg Körpergewicht, führst alle 3 Stunden mehr Energie zu, als dein Körper verbrauchen kann und schaffst dies jeden Tag? Ist es dein Ziel wenigstens einmal im Jahr auszusehen wie Topper Harley? Oder bist du Rehasportler und musst nach dem Abriss deines Bizeps den Oberarm auftrainieren?
Bist du der Alltagsathlet, der im täglich gleichen Stil seinen Dienst verrichtet? Ist es wahrscheinlich, dass dein Umfeld, deine Regeln und dein In- & Output an Energie, morgen ähnlich wie heute sind? Bist du in der Lage Ursache und Wirkung auch im Training zu unterscheiden? Entspricht es deinem Ziel, einen gesunden und stabilen Körper zu haben, der dir den Alltag erleichtert?
Bist du dir über deine Körperhaltung im Klaren? Achtest du auf Kleinigkeiten wie die Position deiner Knie beim Treppensteigen und die Neigung deines Oberkörpers hierbei? Stützt du dich mit den Händen ab, wenn du aufstehst oder etwas vom Boden aufhebst? Welche Schuhe trägst du und wie setzt du die Füße beim Gehen auf? Wie achtsam gehst du mit deinen ‚Zipperlein‘ um?
So wie ich einst?
Manifestierte Fehlhaltungen täuschen unser System über den Normalzustand unserer Einzelteile. Schmerzen werden falsch interpretiert und deren Ursache irrig lokalisiert. Vermutlich ist es das, was Walter Packi meint, wenn er von Klingel (Ursache) und Glocke (Wirkung) spricht.
Ich freue mich, wenn dir dieser Artikel hilft, eine Entscheidung zu treffen. Wenn du dein Training starten und vor allem erfolgreich auf den richtigen Weg lenken möchtest, nimm Kontakt zu mir auf.
Jetzt!
HIER erreichst du deine Ziele!
André
Hey André,
großartiger zweiter Teil und krasse Geschichte! Sie jetzt noch einmal zu lesen, macht das Ganze noch bildhafter.
Apropos Bilder. An dir ist doch ein kleiner Künstler verloren gegangen. 😀
Beste Grüße und gerne mehr von dem guten Stoff,
Sebastian
Hey Sebastian,
Danke für Dein Feedback! Die Geschichte geht mir selbst immer noch nah. Immer wenn ich daran denke weiß ich genau – das will ich nie wieder und das schaffe ich auch. Dahinter steckt keine Zauberei und auch keine übermenschliche Anstrengung. Im Gegenteil. Mit dem richtigen Weg, ist es einfacher als man denkt und der Spaß kommt dabei nicht zu kurz.
Und apropos ‚kurz‘: In Kürze erscheinen auch meine ersten Trainingstips.
Vielleicht auch wieder mit künstlerischer Note.
Liebe Grüße – André
Nice! Schön auf den Punkt gebracht?Danke für den Beitrag. Gruß Chris
Hey Christian!
Vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich freue mich, dass Dich das Thema interessiert und lade Dich ein, dem Verlauf weiter zu folgen. Ich kann verraten: es bleibt spannend.
Liebe Grüße, André